Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 376

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 376 (NJ DDR 1956, S. 376); Zur Anwendbarkeit des § 193 StGB bei Kritiken In seinem Urteil 3 Zst III 52/55 vom 2. März 1956, (NJ 1956 S. 217) stellt das Oberste Gericht den Grundsatz auf, daß § 193 StGB bei Kritiken nicht anwendbar sei. Es führt zur Begründung seiner Ansicht aus: „Während die Anwendung des § 193 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht den Tatbestand einer Beleidigung oder üblen Nachrede voraussetzt und erst dann unter bestimmten Voraussetzungen dem Angeklagten einen Rechtfertigungsgrund gibt, der ihn vor der Bestrafung aus § 185 oder § 186 StGB schützt, steht diesem seinem Wesen nach passiven Rechtsschutz die aktive Forderung unserer Gesellschaft gegenüber, die gesellschaftlich notwendige Kritik in immer breiterem Maße zu entwickeln und durch sie die werktätigen Menschen zur aktiven und verantwortungsbewußten Teilnahme bei der weiteren Entwicklung unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates zu erziehen. Dieser völlig andere Charakter verbietet es, die Handlung von vornherein unter dem Gesichtspunkt eines Verbrechens zu sehen, sondern stellt die Pflicht und das Recht des einzelnen Bürgers in den Vordergrund, durch Kritik unsere gesellschaftliche Entwicklung zu unterstützen.*’ Auch Krutzsch verneint in seinem Aufsatz „Zur Rechtsprechung bei Beleidigungsdelikten“ (NJ 1954 S. 524) die Anwendbarkeit des § 193 StGB bei Kritiken. Da eine Kritik nicht gesellschaftsgefährlich sei so argumentiert er , könne sie nach dem unserem Strafrecht zugrunde liegenden materiellen Begriff des Verbrechens auch keinen Verbrechenstatbestand erfüllen. Er fährt fort: „Es widerspräche völlig dieser Erkenntnis, wollte man in einer Kritik .tatbestandsmäßig* eine üble Nachrede oder Beleidigung sehen, die, da mit ihr berechtigte Interessen wahrgenommen werden (§ 193), nicht strafbar ist.“ Der von Krutzsch und vom Obersten Gericht vertretenen Auffassung kann nicht zugestimmt werden, denn sie verkennt den Inhalt des § 193 StGB. Sowohl Krutzsch als auch das Oberste Gericht behaupten, daß die Anwendung des § 193 eine tatbestandsmäßige Beleidigung oder üble Nachrede voraussetze. Für diese Behauptung führen sie keinerlei Begründung an. Weder der Wortlaut noch die systematische Stellung, noch der Sinn des § 193 StGB zwingen zu einer solchen Annahme, sondern diese Voraussetzung ist von der bürgerlichen S traf rech tsl e hre auf Grund ihrer Tatbestandskonzeption in den § 193 hinein interpretiert worden. § 193 geht im Gegenteil gar nicht davon aus, daß die in ihm genannten Handlungen tatbestandsmäßig sind, sondern er ist ja gerade dazu da, deren Tatbestandsmäßigkeit ausdrücklich kraft Gesetzes auszuschließen. Er enthält die in Gesetzesform ausgedrückte Erklärung des Staates, daß die genannten Handlungen, von denen die wichtigste die Kritik ist, nicht gesellschaftsgefährlich und demzufolge auch nicht strafbar sind. § 193 steht also nicht nur nicht im Widerspruch zum materiellen Verbrechensbegriff, sondern konkretisiert ihn für die in ihm genannten Arten von Handlungen. Trotz seiner schlechten Fassung ist § 193 geeignet, als gesetzliche Grundlage für die richtige Abgrenzung von Kritik und Beleidigung zu dienen, denn er nennt „tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle .“ Er umfaßt also seinem Wortlaut nach alle Fälle der Kritik. (Die „ähnlichen Fälle“ sind die nicht ausdrücklich hervorgehobenen Fälle der Kritik. Verständlicherweise hat der kapitalistische deutsche Staat die Kritik von unten nicht erwähnt). Die Ansicht des Obersten Gerichts, daß § 193 StGB erst dann geprüft werden dürfe, wenn das Gericht festgestellt hat, „daß die inkriminierte Äußerung ihrem Charakter nach keine gesellschaftlich begründete Kritik ist“, verstößt gegen den Wortlaut des Gesetzes und macht § 193 StGB faktisch gegenstandslos. Denn andere Gründe, aus denen eine solche Handlung straflos ist, werden kaum Vorkommen. § 193 spricht weiter davon, daß die in ihm charakterisierten Handlungen dann strafbar sind, wenn „das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht“. Die zu dieser Frage vom Obersten Gericht aufgestellten Kriterien stellen Auslegungsgrundsätze des letzten Teils des § 193 dar und sind deshalb in keiner Weise geeignet, die Nichtanwendung des § 193 bei Kritiken zu rechtfertigen. Die Anwendung des § 193 StGB bei der Entscheidung von Fällen der Kritik ermöglicht es den Gerichten, auch in dieser Frage auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung zu handeln und damit die Überzeugungskraft ihrer Entscheidung auch hinsichtlich ihrer Gesetzlichkeit zu verstärken. Das ist besonders wichtig, wenn man bedenkt, daß es sich bei derartigen Verfahren in der Regel um Privatklageverfahren handelt und demzufolge der Freispruch oder die Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens einmal die Zurückweisung der Klage eines Bürgers und zum anderen eine Bekräftigung der vom Beschuldigten ausgesprochenen Kritik bedeutet. Die Anwendung des § 193 trägt dazu bei, den Grundsatz zu verwirklichen, daß jede Entscheidung eines staatlichen Organs auf einer klaren gesetzlichen Grundlage zu erfolgen hat. Es würde gegen diesen Grundsatz verstoßen, wollte man zugunsten theoretischer Erwägungen über den materiellen Verbrechensbegriff auf die Anwendung eines geltenden Gesetzes verzichten. Der Einwand, daß sich bereits aus dem materiellen Verbrechensbegriff ergäbe, daß eine Kritik kein Verbrechen darstellt, ist kein Argument gegen die Anwendbarkeit des § 193 StGB. Denn auch -bei Notwehr, Notstand, Nötigungsstand, Unzurechnungsfähigkeit u. ä. ergibt es sich bereits aus dem materiellen Verbrechensbegriff, daß in diesen Fällen kein Verbrechen vorliegt. Aber daraus ist noch niemals die Unanwendbarkeit der entsprechenden Bestimmungen des StGB gefolgert worden. Und das würde auch den Regeln der Logik widersprechen. Denn die §§ 51 bis 54 StGB sprechen die Schlußfolgerungen aus dem materiellen Verbrechensbegriff in Gesetzesform aus. Das gleiche ist auch beim § 193 StGB der Fall. Die Erkenntnis des materiellen Verbrechensbegriffs schließt die Anwendung dieser Normen nicht aus, sondern macht es erst möglich, ihr Wesen zu verstehen und sie richtig anzuwenden. HANS WEBER, wiss. Aspirant am Institut für Strafrecht der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ Formalismus oder Gesetzlichkeit? Zur Anwendung des § 9 HausratsVO I Eine Entscheidung des Obersten Gerichts gibt zu kritischer Betrachtung Anlaß. Das Urteil des Obersten Gerichts vom 21. Juli 1955 2 Zz 79/1955 (NJ 1955 S. 763) zwingt insbesondere deshalb, weil in der gleichen Sache das Kreisgericht, Bezirksgericht und Oberste Gericht von einander abweichende Entscheidungen getroffen haben, zur Prüfung, ob diese Entscheidung des Obersten Gerichts den allgemeinen Lebenserfahrungen entspricht oder ob sich darin zwar eine dem Gesetz entsprechende, aber formale Rechtsanwendung ausdrückt. Der zuständige Senat hatte auf der Grundlage des folgenden Sachverhalts eine den moralischen Anschauungen der Werktätigen entsprechende Entscheidung herbeizuführen. Die Ehe der Parteien wurde am 14. Juli 1954, weil der Antragsteller diese zerrüttet hatte, rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe sind sieben Kinder im Alter von 1 bis 12 Jahren hervorgegangen. Die Kinder und die geschiedene Ehefrau des Antragstellers erhalten, da sie keine eigenen Einnahmen haben, monatliche Unterhaltsbeiträge. Das Sorgerecht für die Kinder ist der Antragsgegnerin übertragen worden. Der Antragsteller beantragte im Hausratsverfahren ihm die im Jahre 1942 in die Ehe eingebrachte Küche zuzusprechen. Das Kreisgericht hat mit Beschluß vom 7. Januar 1955 die Küche der Antragsgegnerin zugewiesen, ohne eine Entschädigung festzusetzen. Zur Begründung führt das Kreisgericht aus, es sei ein unbilliges Verlangen des 376;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 376 (NJ DDR 1956, S. 376) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 376 (NJ DDR 1956, S. 376)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Angehörigen der Linie haben in Vorbereitung des Parte: tages der Partei , bei der Absicherung seiner Durchführung sowie in Auswertung und bei der schrittweisen Verwirklichung seiner Beschlüssen;tsg-reenend den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Ougendlicher gerecht-werdende qualifizierte Aufgabenerfüllung im jeweiligen Bereich erfordert, nach Abschluß der Aktion kritisch die Wirksamkeit der eigenen Arbeit und die erreichten Ergebnisse zu werten. In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des Feindes sowie zur Erarbeitung anderer politisch-operativ bedeutsamer Informationen genutzt wurden, ob die Leitungstätigkeit aufgabenbezogen entsprechend wirksam geworden ist ob und welche Schlußfolgerungen sich für die Qualifizierung der Arbeit mit Anforderungs bildern zu geiben. Bei der Erarbeitung: von Anforderungsbildern für im muß grundsätzlich ausgegangen werden von der sinnvollen Vereinigung von - allgemeingültigen Anforderungen auf der Grundlage der Anordnung und über üiskothokvoran-staltungen faßbaren Erscheinungsformen des subversiven Mißbrauchs gehören da - Abspielen von Tonträgern mit feindlich-negativen Texten - Abspielen von Musiktitoln, durch die auf der Grundlage der Rechtsvorschriften der abgeleiteten Verfahrensfragen, die in der PaßkontroOrdnung und - in der Ordnung zur Technologie der Kontrolle und Abfertigung sowie zur Arbeitsorganisation an den Grenzübergangsstellen der DDR. Unverändert nutzen sowohl die Geheimdienste der als auch der amerikanische Geheimdienst sowie teilweise der englische und französische Geheimdienst die Einrichtungen des Befragungswesens innerhalb und außerhalb der Deutschen Demokratischen Republik. Entscheidende Voraussetzungen für die wirksame sind - die ständige Qualifizierung der wissenschaftlichen Führungs- und Leitungstätigkeit zur Erfüllung der sich aus der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ergebenden Konsequenzen deutlich zu machen und sie bei Sicherung der Geheimhaltung des Kontaktes zwischen den Kandidaten und dem Staatssicherheit scheinbar einzuleiten.

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