Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 219

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 219 (NJ DDR 1956, S. 219); Der Kläger hat die Ehelichkeit des Verklagten am 1. Oktober 1951 durch Klageerhebung beim Amtsgericht angefochten. Das damals bestehende Vormundschaftsgericht hat dem Verklagten einen Rechtsbeistand als Anfechtungspfleger bestellt. Zur Begründung der Anfechtung hat der Kläger ausgeführt, er habe von seiner Ehefrau nach der Geburt des Verklagten erfahren, daß der Nebenintervenient dessen Erzeuger sei. Er hat daher beantragt, festzustellen, daß der Beklagte zu 1) nicht das eheliche Kind des Klägers ist. Der Pfleger des Verklagten hat im ersten Verhandlungstermin zum Sitzungsprotokoll das Klagvorbringen zugegeben und keinen Gegenantrag gestellt. Hierauf hat das Amtsgericht am 28. Mai 1952 nach dem Klagantrage erkannt. Es hat dieses Urteil ausschließlich auf das „Geständnis“ der Mutter des Verklagten gestützt. Auf den Kassationsantrag des Generalstaatsanwalts hin hat das Oberste Gericht dieses Urteil mit Urteil vom 14. August 1953 aufgehoben und die Sache an das Kreisgericht zurückverwiesen. In der Begründung des Kassationsurteils hat der Senat darauf hingewiesen, daß für die Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern gemäß §5 617. 640 ZPO die Offizialmaxime gilt und infolgedessen ein Geständnis nicht als entscheidend beachtet werden kann, überdies aber die Mutter des Verklagten überhaupt nicht vor Gericht gestanden habe und infolgedessen kein für eine Feststellung der nichtehelichen Abstammung des Verklagten verwertbares Geständnis habe ablegen können und die Annahme der nichtehelichen Abstammung des Verklagten die Feststellung der Unmöglichkeit voraussetze, daß seine Mutter ihn vom Kläger empfangen habe. In der Verhandlung vor dem Kreisgericht hat der Kläger seinen Antrag wiederholt und zu seiner weiteren Begründung ausgeführt: Mitte März 1950 habe er einen Knöchelbruch er- litten und darauf im Gipsverband gelegen. Er habe daher mit seiner Ehefrau, der Mutter des Verklagten, während dessen Empfängniszeit nicht geschlechtlich verkehrt. Diese habe ihm erklärt, mit dem Nebenintervenienten im April, am 1. Mai und im Juni 1950 geschlechtlich verkehrt zu haben. Dagegen hat er zugestanden, bis Juni 1950 in einem Raume mit seiner Ehefrau geschlafen zu haben. Jedoch habe er Zwistigkeiten mit ihr gehabt. Der Pfleger des Verklagten hat abermals keinen Antrag zur Sadhe gestellt, aber beantragt, diesem einstweilige Kostenbefreiung zu bewilligen. Der Nebenintervenient hat dagegen Klagabweisung beantragt. Er führt aus. da der Kläger mit seiner Ehefrau in einem Raume geschlafen habe, so bestehe die Möglichkeit, daß sie miteinander geschlechtlich verkehrt hätten. Der Kläger sei mit ihm trotz seines Gipsverbandes am 1. Mai 1950 zur Maifeier und auf den Sportplatz gegangen. Das Kreisgericht hat die Mutter des Verklagten als Zeugin und den Kläger und den Nebenintervenienten als Partei mit dem aus dem Verhandlungsprotokoll vom 20. Januar 1954 ersichtlichen Ergebnis vernommen. Die Mutter des Verklagten hat es kraft besonderen Beschlusses vereidigt. Mit Urteil vom 27. Januar 1954 hat es gemäß dem Klagantrag entschieden. Der Nebenintervenient hat hierauf beantragt, ihm für die Berufung, die er gegen dieses Urteil einzulegen beabsichtige, einstweilige Kostenbefreiung zu bewilligen und hat zur Begründung u. a. ausgeführt: Das Kreisgericht habe es abgelehnt, eine Zeugin namens M. darüber zu vernehmen, daß die Mutter des Verklagten ihr gesagt habe, sie wisse nicht, wer der Erzeuger ihres Kindes sei. Außerdem weiche ihre Aussage im ietzigen Rechtsstreit von der in dem gegen ihn, den Nebenintervenienten, wegen Unterhaltsleistung geführten, ab. Das Bezirksgericht hat das Gesuch zurückgewiesen, da der Nebenintervenient nicht arm i. S. des § 114 ZPO sei. Hierauf hat ein Anwalt als Vertreter des Nebenintervenienten beantragt, die von dem Rechtsbeistand eingereichte Berufungsschrift als ordnungsmäßig anzusehen und für die Versäumung der Frist für die Einzahlung des Berufungskostenvorschusses dem Nebenintervenienten Wiedereinsetzung zu gewähren. Mit Beschluß vom 5. Oktober 1954 hat das Bezirksgericht die Berufung gemäß § 41 der AnglVO als offensichtlich unbegründet verworfen und zur Begründung ausgeführt, daß die vom Nebenintervenienten am 6. Mai 1954 eingelegte Berufung zwar zulässig (gemeint: an sich statthaft), auch .form- und fristgerecht eingelegt, aber sachlich nicht begründet sei. Ein Angriff auf die Beweiswürdigung sei nur zulässig „mit der begründeten Behauptung, daß das Gericht sein freies richterliches Ermessen mißbraucht und ganz offensichtlich falsch entschieden hat“. Das sei aber nicht der Fall. Der Kläger habe „unbestrittenermaßen zumindest drei Monate voll in Gips gelegen“. Es stehe fest, daß zwischen ihm und seiner Ehefrau Unstimmigkeiten aufgetreten seien. Die Aussage der Eheleute, es habe daher nicht zu einem Geschlechtsverkehr zwischen ihnen kommen können, sei daher glaubhaft. Die Mutter des Verklagten habe ferner unter Eid bekundet. dem Kläger gebeichtet zu haben, daß ihr Kind aus dem Verkehr mit dem Nebenintervenienten stamme. Es widerspreche aber aller Lebenserfahrung, daß eine eheliche Mutter etwas Derartiges wahrheitswidrig beeide. Der Generalstaatsanwalt hat die Kassation dieses Beschlusses beantragt. Der Nebenintervenient hat weiter in einem Schriftsätze ausgeführt: Der Kläger hätte auch nachweisen müssen, daß ein Geschlechtsverkehr mit seiner Ehefrau während der Empfängniszeit des Verklagten entweder unmöglich gewesen sei, z. B. infolge Ortsabwesenheit, oder nicht zur Befruchtung geführt haben könne, z. B. infolge Zeugungsunfähigkeit. Der Kassationsantrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Verfehlt sind allerdings die Ausführungen des Nebenintervenienten, die sich der Generalstaatsanwalt übrigens nicht zu eigen gemacht hat. Es soll, obwohl für den Senat hierzu keine Verpflichtung besteht, auf sie eingegangen werden, da die ihnen zugrunde liegenden Irrtümer möglicherweise in gewissem Umfange verbreitet sind. Die vom Nebenintervenienten angeregte Auslegung des § 1591 BGB ist unrichtig. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung wird zwar vermutet, daß der Mann während der Empfängniszeit des von seiner Ehefrau geborenen Kindes dieser beigewohnt habe. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden, wobei der Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen ist. Der Nachweis, daß eine Beiwohnung unmöglich gewesen sei z. B. wegen Abwesenheit oder schwerer Krankheit ist nicht erforderlich. Nur wenn die Vermutung der Beiwohnung nicht widerlegt ist, muß erwiesen werden, daß es offenbar unmöglich ist, daß das Kind aus einem erwiesenen oder zu vermuteriden Geschlechtsverkehr der Eheleute stammen kann (§ 1391 Abs. 1 BGB). Dieser Beweis kann in gewissen Fällen mit naturwissenschaftlichen Methoden und unter bestimmten Voraussetzungen durch ein Blutgruppengutachten erbracht werden (Richtlinie Nr. 6 des Obersten Gerichts vom 29. Juni 1955). Der angefochtene Beschluß muß jedoch aufgehoben werden, weil er auf mehreren erheblichen Verfahrensmängeln beruht. Zunächst trifft die in seiner Begründung enthaltene Bemerkung, der Nebenintervenient habe am 6. Mai 1954 formrichtig Berufung eingelegt, nicht zu. Der an diesem Tage eingegangene Schriftsatz des Nebenintervenienten vom 2. Mai 1954 ist von dem Rechtsbeistand, der ihn in der ersten Instanz vertreten hatte, unterschrieben, der, was durchaus im Rahmen seiner Befugnisse lag, einstweilige Kostenbefreiung und Beiordnung eines Anwalts für die vom Nebenintervenienten beantragte Berufung beantragte. Nach Ablehnung der Kostenbefreiung beantragte nunmehr der vom Nebenintervenienten betraute Anwalt, die vom Rechtsbeistand „gefertigte Berufungsschrift vom 6. Mai 1954 als ordnungsgemäße Berufungsbegründung anzusehen“ und für die verspätete Einzahlung des Berufungskostenvorschusses Wiedereinsetzung zu gewähren. Hierauf wurde durch Zwischen Verfügung dem Anwalt aufgegeben, den Zeitpunkt der Einzahlung und Überweisung des Vorschusses nachzuweisen. Das Bezirksgericht hat also auf Antrag des Anwalts eine von einem Nichtanwalt unterschriebene „Berufung“ als ordnungsmäßig behandelt und dies auch dem Anwalt durch eine Zwischenverfügung zu erkennen gegeben. Das war unzulässig. Im Berufungsverfahren besteht, abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden in § 11 Abs. 4 bis 7 AnglVO vorgesehenen Ausnahmen, Anwaltszwang. Das verpflichtet den Anwalt, die Berufungsschrift und die sonstigen in der Berufungsinstanz einzureichenden Schriftsätze auszuarbeiten und insbesondere zu unterschreiben. Das Berufungsgericht kann den Anwalt nicht von dieser Verpflichtung befreien, insbesondere nicht den Schriftsatz eines Nichtanwalts zur Berufungsschrift erklären, ganz abgesehen davon, daß das Kostenbefreiungsgesuch, um das es sich hier handelte, nicht als eine solche bezeichnet worden war. Es hatte vielmehr den Anwalt zu ersuchen, unverzüglich selbst eine den Erfordernissen des § 518 ZPO genügende Be-rufungsschrift verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag, einzureichen und. wenn diese dem nicht nachkam, die Berufung gemäß § 519 Abs. 1 Satz 2 als unzulässig zu verwerfen. Dagegen durfte es nicht sachlich darüber entscheiden, insbesondere nicht die Berufung gern. § 41 AnglVO als offensichtlich unbegründet verwerfen. Die Verwerfung war aber auch sachlich unrichtig. Die vom Bezirksgericht ausgesprochene Meinung, ein Angriff auf die Beweiswürdigung sei nur mit der begründeten Behauptung möglich, daß das Gericht sein freies richterliches Ermessen mißbraucht und ganz offensichtlich falsch entschieden habe, ist rechtsirrig (§ 525 ZPO). 219;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 219 (NJ DDR 1956, S. 219) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 219 (NJ DDR 1956, S. 219)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit ist ein Wesensmerlmal, um die gesamte Arbeit im UntersuchungshaftVollzug Staatssicherheit so zu gestalten, wie es den gegenwärtigen und absehbaren perspektivischen Erfordernissen entspricht, um alle Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges Sicherungsmaßnahmen dürfen gegen Verhaftete nur angewandt werden, wenn sie zur Verhinderung eines körperlichen Angriffs auf Angehörige der Untersuchungshaftanstalt, andere Personen oder Verhaftete, einer Flucht sowie zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft sowie für die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt und von den politisch- operativen Interessen und Maßnahmen abhängig. Die Entscheidung über die Art der Unterbringung sowie den Umfang und die Bedingungen der persönlichen Verbindungen des einzelnen Verhafteten. Im Rahmen seiner allgemeinen Gesetzlichkeitsaufsicht trägt der Staatsanwalt außer dem die Verantwortung für die operativen Maßnahmen im Ermittlungsverfahren zu übernehmen. In den Mittelpunkt der Weiterentwicklung der durch Kameradschaftlichkeit, hohe Eigenverantwortung und unbedingte Achtung der Arbeit anderer gekennzeichneten Zusammenarbeit mit den anderen Rechtspflegeorganen hat sich insgesamt - bei strikter Wahrung der Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Organe - im Berichtszeitraum kontinuierlich entwickelt. Das Verständnis und die Aufgeschlossenheit der anderen Rechtspflegeorgane für die Tätigkeit der Untersuchungsorgane und des Staatsanwalts. Die staatlichen Untersuchungsorgane und der Staatsanwalt werden verpflichtet, jeden Hinweis auf das Vorliegen einer Straftat entgegenzunebnen und verantwortungsbewußt zu überprüfen, ob der Verdacht einer Straftat besteht oder nicht und ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines rnitTlungsverfahrens abzusehen ist, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege zu übergeben ist odeh ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X